Diese Woche hab ich 58,5 Stunden zusammengebracht in der Arbeit!
Am Abend fall ich dann immer in mein Bett, mein Rücken ist hart wie ein Brett und jede Bewegung ist mühsam... Bin ich froh, dass wir am Freitag um 20.30 Uhr heimgehen können, ich brauchte schon dringend eine Auszeit!
Am Montag haben wir alle Hände voll zu tun gehabt: zuerst soll ich auf der Station den Sr. zeigen, wie man einen Einlauf macht, hier werden die Pat. für eine Darmspiegelung damit vorbereitet und das Personal lagert sie dazu auf den Knien im WC - ist für den Einlauf schwierig, aufzusteigen und den Darm durchzuwaschen... Da ist eine Seitenlagerung schon besser - aber für sie unbekannt. Doch das Endergebnis kann sich sehen lassen, Dr. Delgado (Elmer) sagt, dass der Darm sehr sauber ist und er hat gut gesehen. Ich hoffe, dass sie das übernehmen und weiter so handhaben!
Für 24 Packerl Tupfer sitzen wir 3h dabei, bis die alle steril sind- zuerst müssen die Kompressen zugeschnitten werden, dann gefaltet, zu 10er Packerln zusammenzählen, 2x einsackeln und dann sterilisieren. Und wie schnell 24 Pakete weg sind, wissen wir ja!
Heute hab ich auf meiner Kamera die Fotos angeschaut und auf einmal sehe ich, dass da noch ein Video drauf ist von unserer Abschiedsfeier, wo Ingrid und Andrea "Wie a wüds Wossa" spielen- da bin ich dahingeschmolzen!:-) Danke Dorfi für´s Aufnehmen!
Den Jungen ohne Unterschenkel hab ich diese Woche wieder gesehen, der fährt mit einem kleinen Wagerl herum, wo er sich mit den Armen antaucht; der hätte diese Woche nachamputiert werden sollen, da ein Oberschenkelknochen ein bisschen zu lange ist (angeblich). Dr. Delgado hat sich den Pat. nochmal angeschaut und gesagt, dass das passt und er soll Prothesen bekommen. Silvia sagt mir daraufhin, dass er im Waisenheim (in unserer Strasse) wohnt und mit den anderen Kindern Fussball spielt und dabei total schnell ist!
Sophie hatte am Montag Geburtstag, dazu hab ich die 10 Minuten Zeit an diesem Tag genutzt, um ihr ein Ständchen zu spielen und über die selbstgebackenen Vanillekipferl und das Geschenk hat sie sich riesig gefreut, sie fällt mir aus tiefer Dankbarkeit um den Hals!
Bei einem 31 jährigen operieren wir eine Oberschenkelfraktur, die aber schon alt ist - d.h. dass der Bruch schlecht zusammengewachsen ist und sehr schwer zu reponieren ist. Und hier gibt es keinen Extensionstisch, was die ganze Sache noch viel schwerer macht. So dauert die OP sehr lange und wir kommen erst um 21.20 Uhr raus - und ich bin ko.
Mit Sophie hab ich mir ausgemacht, dass sie Blumen besorgt, da Silvia und Elmer am Mittwoch 30 Jahre verheiratet sind. Aber leider kommt sie ohne Blumen - eine Rose kostet 12 $, das ist eindeutig zu teuer. Wir arbeiten so vor uns hin und ich gehe Elmer holen für die Endoskopie; er ist im Büro von Silvia und sie sagt mir, ob ich weiss, was sie von Sophie bekommen hat - ich hab ja keine Ahnung... Da erzählt sie mir, dass sie ihr eine Ziege geschenkt hat mit der Begründung, dass 30 Jahre verheiratet sein eine lange Zeit ist und sie sich mit ihnen freut! Ich kann gar nicht glauben, was ich da höre, aber Silvia bestätigt mir, dass die Ziege jetzt im Garten ist! Ich muss herzhaft lachen und wie ich wieder in der Steri zurück bin, frag ich Sophie, wie sie die Ziege transportiert hat - mit dem Taxi. Und was hat der Fahrer gesagt? Nichts, dass ist für ihn normal! Bei der Vorstellung, dass das Viecherl im Kofferraum oder auf der Rückbank sitzt, kann ich mir ein neuerliches Schmunzeln nicht verkneifen. Auf meine Frage, wieviel sie gekostet hat, will sie mir keine Antwort geben, sie hat seit letztem Jahr gespart, um den Delgados dieses Geschenk zu machen, denn 30 Jahre verheiratet zu sein, ist heutzutage wirklich nicht mehr selbstverständlich!
Doch leider wird meine Freude an diesem Tag schnell getrübt - ich sehe, wie der Pat. für die nächste OP gebracht wird und erst wie ich genau hinschaue, merke ich, dass es ein Arzt von uns ist! Ich weiss, dass Elmer bei ihm ein Leberzellcarzinom diagnostiziert hat und jetzt stellt sich die Frage, was wir bei ihm machen sollen... Er ist erst 36 Jahre alt, nett, engagiert, fleissig in der Arbeit, kann gut mit den Pat. umgehen und ist sehr zuverlässig. Die 2 Wochen, wo ich mit ihm zusammengearbeitet hab, ist er mir gleich aufgefallen, dass da ein grosses Potential für einen guten Arzt drin ist! Dann war er 2,5 Wochen im Krankenstand und wie ich ihn das nächste Mal gesehen hab, war ich sehr erschrocken - er ist sowieso dünn, aber da sind seine Kleider nur mehr so an ihm "obengehängt", die Skleren (das Weisse in den Augen) sind vom Ikterus ganz gelb und er tut sich schwer beim Atmen! Nein, er hat sich in dieser kurzen Zeit so verschlechtert...!
Wir richten alles für die OP her und am Schlimmsten waren die 5 - 10 Minuten, die wir auf Elmer gewartet haben, da er beim vorigen Pat. die Narkose ausgeleitet hat. Wie er dann reinkommt, fragt er seine Kollegen, was wir tun sollen - gestern hat er im Ultraschall einen Thrombus/ eine Metastase in der unteren Hohlvene gesehen, was nichts Gutes bedeutet. Deshalb wird der Schnitt sehr klein gehalten; wie der Bauch offen ist, sehen wir, dass die ganze Leber voll mit dem Carzinom ist, saugen den Aszites ab und müssen uns eingestehen, dass wir für ihn nichts mehr tun können! Ich merke, wie der Kloss in meinem Hals sich wieder breit macht, die restliche OP verläuft wortlos, jeder hängt seinen Gedanken nach und wir sind alle am Boden zerstört!
Für heute sind wir fertig mit der Arbeit und mit den Nerven! Was würdest du tun, wenn du weisst, dass du max. nur mehr ein paar Monate zu leben hättest???
Wie wir zu Hause sind, sehe ich zu, mein Essen schnell zu beenden, ich muss allein sein, um mit dieser Sache fertigzuwerden. Das Aufschreiben der Erlebnisse, Eindrücke und Emotionen hilft mir dabei ein wenig.
Der nächste Tag kommt und wir machen das Beste draus. Eine Platte für einen Oberschenkelbruch wird vorbereitet doch leider finden wir nicht die passenden Schrauben. Wie freue ich mich, wenn das gesammelte Material ankommt, das momentan noch in Nîmes in Frankreich ist! Ich weiss nämlich, dass da SUPER Sachen dabei sind, auf die ich teilweise schon sehr hart warte! Damit wird die Arbeit hier um ein Vielfaches erleichtert!
Um 20 Uhr hätten wir noch einen Unterarmbruch zu operieren, doch die Pat. hat ihr Abendessen gegessen - Pech für sie, Glück für uns! So kommt sie am nächsten Tag dran und es dauert eine ganze Weile, bis beide Knochen wieder so stehen wie sie sollen und mit den passenden Implantaten fixiert sind! Bei einem 3 Monate altem Baby entfernen wir einen Spickdraht aus dem Gaumen - er hat eine Lippen - Kiefer - Gaumenspalte gehabt. Und um 18 Uhr entfernen wir noch eine ganz schiache Gallenblase, die schon angefangen hat, nekrotisch zu werden. Also so schlimme Sachen wie hier hab ich in Österreich noch nie zu Gesicht bekommen.
Wie die Pat. munter wird - sie ist erst 19 Jahre alt - sagt sie: "Mzungu" - was "Weisse" bedeutet - offensichtlich meint sie mich damit!
Wie ich heimkomme, bin ich froh, dass dieser Tag der Freitag war - d. h., dass Wochenende steht vor der Türe! Ich spür jeden Muskel meines Körpers einzeln und möchte nur mehr schlafen, was ich auch mache. Zum Glück verlaufen die nächsten 2 Tage sehr ruhig und ich kann mich gut erholen, Sonne tanken, lesen und die Ruhe geniessen. Für Silvia backe ich Biskuitroulade, sie hat morgen Geburtstag! Am NM kommen Gäste - Freunde aus der Stadt, um diesen Ehrentag schon heute zu feiern, dabei wird das Geschenk von Sophie zum Hochzeitstag verspeist...
Nach 6 Wochen hier muss ich sagen, dass es schon sehr anstrengend ist, da die Arbeit nie aufhört, es kommt mir manchmal so vor. Und ich vermisse meine sozialen Kontakte, mit denen ich meine Freizeit verbringen kann. Stromausfall während der Arbeit steht an der Tagesordnung, das macht uns nichts mehr aus, genausowenig wie die Geckos, die in meinem Bad und Zimmer herumsausen. Doch die dürfen das, die fressen nämlich die Stechmücken und andere Insekten, die nur lästig wären. Aber dafür ist es angehem warm hier und wenn ich in den Garten gehe und "Hallo Babies" rufe, hab ich sofort 4 dicke Freunde, die mir mit ihren treuen Hundeblicken sagen, dass sie die Zeit mit mir sehr geniessen! So vergeht die Zeit sehr schnell und in 4 Monaten sehe ich den ein oder anderen wieder, worauf ich mich schon SEHR freue!
Wünsch euch ganz liebe Grüsse und bis zum nächsten Mal, Claudia